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Die Vielfalt der Leadership-Ansätze

Was haben schwimmende Fettaugen mit Führungsansätzen zu tun?

Zur Inflation der Begriffe in der Fachliteratur

Gerade studiere ich die neueste Ausgabe des Dossiers ManagerSkills, in dem es mal wieder um Leadership geht. In der Ausgabe werden u.a. neue Bücher vorgestellt, die sich mit Aspekten von Leadership auseinandersetzen: die Titel reichen von «Supportive Leadership» über «Collaborative Leadership» bis hin zu der fast schon ausgelutschten «agilen Leadership». Später wird noch die «hybride Leadership» vorgestellt. Ich könnte noch problemlos die «partizipative Leadership» oder die situative L. aufzählen, ohne selbstverständlich die transformative L. oder die «Leadership mit Charisma» zu vergessen. Mir geht es an dieser Stelle nicht um die Auseinandersetzung mit den einzelnen Termini, sondern um die wahre Inflation verwirrender Begriffe in der Fachliteratur.

Versetzen wir uns doch kurz in die Lage einer jungen Führungsperson, die mit einem derartigen Dschungel konfrontiert ist. Als Nachwuchskraft hier den Überblick zu gewinnen, grenzt an Überforderung. Die jungen Leute werden häufig ohne Einordnungshilfen ziemlich allein gelassen. Gibt es Zusammenhänge zwischen den Ansätzen? Wenn ja, welche? Welche sind eigenständig und übergeordnet? Welche behandeln nur Teilaspekte? Handelt es sich um verschiedene Schulen oder basieren sie auf dem gleichen oder ähnlichen Hintergrund?

Ohne in den Fehler zu verfallen, sich nach Zeiten zurückzusehnen, in denen vielleicht die Anzahl der Führungsansätze noch überschaubarer waren - und früher sowieso alles besser war – muss man doch kritisch feststellen, dass sich einige Autorinnen und Autoren häufig um die Standards wissenschaftlicher Publikationen foutieren. Ganz einfach ausgedrückt handelt sich bei der wissenschaftlichen Arbeit um vernünftiges Nachdenken, aber so, dass andere folgen können. Zur Nachvollziehbarkeit von Gedankengängen ist eine theoretische Einordnung neuer Ansätze unabdingbar. Der natürliche Wunsch des Menschen ist - wenn er mit neuen Ideen konfrontiert ist- einzuordnen, zu systematisieren, irgendwie Ordnung schaffen, um einen Überblick zu gewinnen. Dazu gehört auch, dass Autorinnen und Autoren zumindest ansatzweise darlegen, mit welchen Vorannahmen sie arbeiten und dass sie sich um etwas historisches Bewusstsein bemühen. Vielleicht hat es ja auch schon vor ihnen ernstzunehmende Fachleute gegeben, die in ähnliche Richtung gedacht haben?

Wissenschaftliches Arbeiten geht nun einmal von dem allgemeinen aktuellen Kenntnisstand aus, der einigermassen breit aufgearbeitet werden muss, um anschliessend die eigene Forschung bzw. eigenen Überlegungen ein Stück weit voranzutreiben. Erst dann werden Gedankengänge nachvollziehbar. Das ist für Autorinnen und Autoren zugegebenermassen mühsam, weil sie etwas (bloss nicht zu weit!) ausholen müssen, bevor sie zum Kernthema kommen können.

Diese Arbeit wird mehr und mehr dem Leser bzw. der Leserin zugemutet. Wundert es dann, wenn junge Nachwuchskräfte (aber leider auch ältere) schnell einmal meinen, den «Stein der Weisen» gefunden zu haben und Gefahr laufen, allenfalls nur einen Teilaspekt für zentral halten und nur diesen propagieren? In der Folge wird nachvollziehbar, dass wir regelmässig beobachten können, wie immer wieder «die nächste Sau durchs Dorf getrieben wird», in der Annahme, nun endgültig den heil- und geldbringenden Erkenntnisgewinn realisiert zu haben.

Fettaugen oszillieren in vielleicht faszinierender und bunter Weise, treiben aber bekanntlich an der Oberfläche…

Martin Sassenroth, Mai 2021

Martin Sassenroth
19.05.2021Martin Sassenroth
Tags: Leadership-Ansätze