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Geduld

Jon Kabat-Zinn, der bekannte Molekularbiologe aus den USA und Entwickler des Mindfulness-Based Stress Reduction (MBSR) Programms, beschreibt in seinen zahlreichen Fachbüchern immer wieder die 7 Grundhaltungen der Achtsamkeitspraxis. Er gilt heute quasi als der Urvater der Mindfulness-Bewegung und ich erachte dies als guten Grund, um diese Grundhaltungen im Rahmen von Blog-Beiträgen etwas genauer zu betrachten. Heute geht es, wie unter anderem auch während unseren Assesesment in Zürich und Bern, um Geduld:

Häufig fühlen sich Menschen, die in ihrem Alltag ständig unter Stress stehen und die allmählich auch realisieren, dass sie darunter viel mehr leiden als sie sich bisher zugestanden haben, von der Achtsamkeitsbewegung stark angezogen. Denn sie haben gehört, dass man durch das Einüben von Achtsamkeit lernen kann, besser mit Stress umzugehen. So weit so gut.

Allerdings kommt es nicht ganz selten vor – und das ist natürlich auch nicht allzu erstaunlich -, dass diese Menschen mit der gleichen Grundhaltung an das Thema der Achtsamkeit herangehen wie sie es sich aus ihrem Alltag eben gewohnt sind: Sie möchten sich diese „Tools“ möglichst rasch und effizient „einverleiben“, um in Zukunft für ihren stressvollen Alltag noch besser gerüstet zu sein. Das ist – zumindest aus deren Sichtweise – zwar absolut logisch und einfach nachvollziehbar. Doch leider funktioniert es nicht. Warum nicht?

Abstrakt formuliert könnte man folgende Antwort auf diese Frage geben: Bekanntlich lässt sich ein grundlegendes Problem – und dazu würde ich die ganze Burn-out-Thematik infolge Stress schon zählen – nicht mit Mitteln lösen, die sich auf der gleichen (Bewusstseins-) Ebene befinden wie die Ursachen, die zum besagten Problem geführt haben.

Mit den Worten von Jon Kabat-Zinn hört sich dies alles noch etwas schöner an. Für ihn ist Geduld vor allem deshalb eine wunderbare Haltung für die Achtsamkeitspraxis, „weil es dabei immer schon in einem grundlegenden Sinne um das Heraustreten aus der Zeit geht.“ (Jon Kabat-Zinn, Achtsamkeit für Anfänger, Arbor Verlag, 2013). Wir Menschen haben ein starkes Bedürfnis, immer auf dem Sprung zu sein – auf dem Sprung in eine bessere Zeit, zu einem besseren Ort oder einfach zu einem Punkt, bei dem sich für mich alles zum Besseren wenden wird. Deshalb werden wir schnell ungeduldig und getrieben. Und deshalb haben wir häufig Mühe, einfach dort zu sein, wo wir gerade sind. Denn wir sind mit unseren Gedanken bereits schon an einem vermeintlich (noch) besseren Ort. Was wir dabei allerdings verpassen ist der Moment an sich. Wenn wir nun über den gegenwärtigen Augenblick sprechen, dann meinen wir jetzt – und damit meinen wir „jenseits der messbaren Zeit“. Wir haben alle schon solche Momente erfahren. Genau genommen erfahren wir eigentlich nur solche Momente (d. h. es gibt eigentlich gar keine andern), aber meistens ignorieren wir sie und so kommt es nur ganz selten vor, dass wir einen Moment erfahren, in dem die Zeit für uns wirklich stillsteht.

Aber durch Achtsamkeit können wir lernen, wie wir aus der messbaren Zeit heraustreten und in die zeitlose Qualität des Jetzt fallen können. Das Erfreuliche dabei: Wir haben dadurch viel mehr Zeit. Warum? Wenn wir achtsam sind und jeden Moment voll erleben, dann haben wir nach einer groben Schätzung vermutlich eine unendliche Anzahl von Momenten zwischen dem Jetzt und dem Moment unseres Todes. Das ist viel Zeit zum Leben. Es gibt also keine Eile und wir können uns immer wieder daran erinnern und dadurch grössere Geduld zum Ausdruck bringen.

Dies bringt uns wieder zurück zur Ausgangsfrage: Warum funktioniert es in der Regel nicht, wenn wir Achtsamkeit möglichst effizient und schnell lernen wollen? Weil ein Teil des Lernprozesses eben gerade in der Überwindung der eigenen Ungeduld besteht. Das Erlernen von Geduld ist ein Teil der Achtsamkeit.

Hier noch ein letzter Gedanke für alle Golfer und Golferinnen unter uns: Das Erlernen des Golfschwungs ist wohl eine der allerbesten Anwendungsbeispiele für Achtsamkeit. Und wer ohne die nötige Geduld Golf spielt oder einfach an seiner Schwungtechnik arbeiten will, der wird bald merken, dass er so nicht zum Erfolg kommt. Und glauben Sie mir – ich spreche aus Erfahrung.

Bob Schneider
12.03.2018Bob Schneider
Tags: Geduld